Immobilien – Mit "Betongold" in den Ruin?

verfasst von Florian Sollfrank (Stand: 11/13)

In diesem Artikel werden die Eigenschaften einer beliebten Anlageklasse beleuchtet, welche unter dem Schlagwort „Betongold“ derzeit gerne als „ideale Lösung zum Vermögensschutz“ propagiert wird: Immobilien. Bei oberflächlicher Betrachtung lassen es die sehr niedrigen Hypothekenzinsen und der negative Realzins zwar zunächst plausibel erscheinen, wenn sich Anleger – in Erwartung künftiger Inflationsschübe – verschulden und Häuser bauen oder kaufen. Dieses Vorgehen kann jedoch schnell in ein finanzielles Desaster ausarten!

 

 

Immobilienboom in Groß- und Mittelstädten

 

Die anhaltende Niedrigzinsphase und die zunehmende Angst vor der Euro-Krise lösen bei vielen Menschen in diesen Zeiten den starken Drang aus, Immobilien zu erwerben. Darüber hinaus setzte seit Aufflammen der Euro-Krise eine starke Nachfrage aus den südeuropäischen Ländern ein, welche ihr Geld seitdem nach Deutschland transferieren um hierzulande in „Betongold“ zu investieren.

 

Dies führt mittlerweile zu stark steigenden Immobilienpreisen in bestimmten Gebieten. So erhöhten sich in den Groß- und Mittelstädten allein im vergangenen Jahr die Preise für Wohneigentum um rund 5,25 %. In deutschen Großstädten werden zum Verkauf stehende Häuser und Eigentumswohnungen bereits zur Mangelware. Vor allem in München, Hamburg, Frankfurt, Stuttgart oder Köln lassen sich kaum noch Angebote zu vernünftigen Preisen finden. In einem bereits im Oktober 2012 veröffentlichten Focus-Artikel fasst der Leiter der Marktforschung des Immobilienverbandes Deutschland (IVD) Süd, Stephan Kippes, die Entwicklung kurz und prägnant wie folgt zusammen. „Das habe ich in 20 Jahren noch nicht erlebt“. Weiter heißt es dort: „Selbst in Berlin, das früher als vergleichsweise günstiges Pflaster galt, werden in Bestlagen bis zu 15 000 pro Quadratmeter gezahlt und damit dreimal so viel wie früher. In München sind Preise von 500 000 Euro für eine neue 100-Quadratmeterwohnung in der Stadt fast schon ein Schnäppchen.“

 

 

Die Risiken gelten gemeinhin als überschaubar

 

Hochrangige Vertreter der Bundesbank (z. B. Vorstand Andreas Dombret) oder andere Fachleute äußerten sich in letzter Zeit zur Situation am deutschen Immobilienmarkt betont beruhigend: Auf der einen Seite nehmen zwar auch sie den gegenwärtigen Immobilienboom war, teilen uns aber gleichzeitig mit, dass von Preisexzessen in Deutschland keine Rede sein könne. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die Gefahr einer flächendeckenden Immobilienblase für gering: "Von einer explosiven Kreditvergabe, die für Länder mit spekulativen Preisentwicklungen charakteristisch ist, gibt es in Deutschland keine Spur", ist in einer vor kurzem veröffentlichten Studie zu lesen.

 

Dem versierten Marktbeobachter werden Aussagen dieser Art sehr bekannt vorkommen, denn auch in den USA und später in Spanien konnten die meisten „Experten“ vor einigen Jahren keine Anzeichen einer Blasenbildung erkennen. Nun ist es zwar tatsächlich so, dass es in Deutschland keine flächendeckende Immobilienblase gibt. Allerdings wäre es falsch, angesichts des Booms in den Groß- und Mittelstädten die durchaus bestehenden Risiken zu verharmlosen. Kapitalanleger sollten die derzeitige positive Berichterstattung allein schon aus dem Grund kritisch beäugen, weil auf dem Immobilienmarkt Unsummen an Geld umgesetzt werden, wovon die unterschiedlichsten Gruppierungen profitieren. So wird das Transaktionsvolumen im deutschen Immobiliensektor – nur für das Jahr 2013 – auf 32 bis 36 Milliarden Euro geschätzt! Banken, Makler, Bauträger, Bauunternehmen, Handwerker, Notare – und natürlich der Staat – verdienen gleichermaßen prächtig an der „Party“ und haben demzufolge ein Interesse daran, dass diese unbedingt weitergeht.

 

 

Die Warnzeichen sind nicht zu übersehen

 

Betrachtet man jedoch die Situation ohne „rosarote Brille“, sind die Alarmsignale eigentlich nicht zu übersehen. Bei den gigantischen Summen, die seit Monaten in den Immobilienmarkt gepumpt werden handelt es sich vor allem um Liquidität, welche die EZB den Banken zur Verfügung stellt. Diese nehmen die Gelder anschließend größtenteils zur Immobilienfinanzierung her. Mittlerweile führt dies oftmals dazu, dass viele Banken nicht mehr sehr wählerisch sind, wenn es darum geht, Kredite für Häuser und Wohnungen zu vergeben. Von Branchenkennern ist zu erfahren, dass manche Finanzinstitute Immobilien inzwischen sogar zu 100 % beleihen!

 

Während noch vor wenigen Jahren die Faustformel galt, dass selbst genutzte Immobilien zumindest zu  30 % aus Eigenkapital bestritten werden sollten, ist dieser Anteil in den letzten Jahren stetig zurückgegangen. Derzeit liegt die Eigenkapitalquote in Deutschland im Durchschnitt nur noch zwischen 10 und 15 %. Diese Entwicklung ist aus mehreren Gründen sehr gefährlich: Zum einen werden bereits heute völlig überteuerte Immobilien extrem hoch beliehen (bis zu besagten 100 %). Wenn eines Tages der Boom endet, werden diese massiv an Wert verlieren. Dies dürfte wiederum dazu führen, dass die ausgegebenen Kredite nicht mehr vollständig gedeckt sind und die Banken weitere Sicherheiten einfordern werden, welche die hoch verschuldeten Immobilienkäufer dann allerdings nicht mehr erbringen können.

 

Zum anderen führen niedrige Zinsen zu einer längeren Tilgungsdauer für die Kreditnehmer. Wenn die Zinsen bei z. B. 6 % p. a. liegen, ist die Immobilie bei einer üblichen 1 %-Tilgung p. a. nach 30 Jahren schuldenfrei. Beträgt der Zinssatz dagegen nur 4 %, dauert die Entschuldung bereits rund zehn Jahre länger. Das Problem besteht nun darin, dass i. d. R. nach 10 bis 15 Jahren die Anschlussfinanzierung fällig wird. Wer sich also mit der Standardtilgung begnügt, hat bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nur einen äußerst kleinen Teil seiner Schulden abgezahlt. Da die Zinsen mittel- bis langfristig nur deutlich anziehen können, werden in einem solchen Fall auch die monatlichen Kreditbelastungen schlagartig ansteigen. Somit droht in Zukunft schon allein aus diesem Grund eine regelrechte Serie von Zwangsversteigerungen!

 

Wir konnten in den letzten Jahren bereits in anderen Ländern erleben, wie unzählige Menschen durch platzende Immobilienblasen um ihre Existenz gebracht wurden und in der Folge vor dem materiellen Nichts standen. Angesichts der derzeitigen Entwicklungen könnte sich dieses Szenario künftig auch in Deutschland abzeichnen – wenn auch nicht flächendeckend.

 

 

Das Argument „Sachwert“ ist nicht ausreichend

 

Oftmals wird von verschiedenen Seiten (z. B. Immobilienmaklern, Banken, etc.) das Argument vorgebracht, dass Immobilien Sachwerte seien und deshalb Inflations- und Krisengeschützt wären. In Wirklichkeit kann deren „innerer Wert“ allerdings schnell durch verschiedene Faktoren extrem negativ beeinflusst werden.

 

Zum einen sollte nicht vergessen werden, dass bereits allein die demographische Entwicklung in Deutschland eine künftig geringere statt eine zunehmende Immobiliennachfrage (vor allem bei Wohnobjekten) impliziert. Die Bevölkerung schrumpft – trotz Zuwanderung – unaufhaltsam. Zum anderen ist auch in unserem Land mit dem weiteren Fortschreiten der Finanz- und Wirtschaftskrise mit einem starken Konjunktureinbruch und in der Folge mit vermehrten Firmenpleiten und höherer Arbeitslosigkeit zu rechnen. Dies wird zwangsläufig zu einem Anstieg von in Notlage geratenden (überwiegend fremd finanzierten) Immobilien führen. Dieser Angebotserhöhung dürfte allerdings (aufgrund besagter Firmenpleiten und höherer Arbeitslosigkeit sowie gleichzeitig ansteigender Inflation) deutlich weniger Kaufkraft gegenüber stehen, was sich ebenfalls in einem Nachfragerückgang auswirken sollte. Sinkende Immobilienwerte sind dann vorprogrammiert! Da momentan aufgrund der Kapitalflucht in das vermeintlich sichere „Betongold“ in bestimmten Regionen Deutschlands die Preise völlig überzogen sind, ist die Fallhöhe indes sogar noch um einiges höher geworden.

 

 

Unsichere Einnahmen bei steigenden Kosten

 

Potenzielle Investoren sollten zudem beachten, dass die Immobilie per Definition immobil und aufgrund der lückenlosen Erfassung in den Grundbüchern nicht zu verheimlichen ist. Damit ist sie automatisch staatlichen Zugriffsmöglichkeiten ausgesetzt. Bereits heute ist z. B. die Gesetzgebung sehr Mieter freundlich, wohl auch deswegen, weil diese die zahlenmäßig überlegene Wählergruppe darstellen. Im Zuge einer sich beschleunigenden Inflation sind daher Mietpreisstopps (neben vollständigen Mietausfällen bei in wirtschaftliche Probleme geratenden Mietern, ob gewerblich oder privat) bei vermieteten Immobilien durchaus eine realistische Gefahr. Durch das Verbot von Mietpreiserhöhungen könnte der Staat nämlich in turbulenteren Zeiten große Teile der Bevölkerung ruhig halten – zu Lasten der Vermieter. Diese verlören aufgrund der ansteigenden Instandhaltungskosten bei gleich bleibenden Mieten in diesem Szenario permanent an Kaufkraft.

 

Die Zeit der Hyperinflation in Deutschland 1923 sollte hierbei als Mahnung gelten. Während Mieterhöhungen damals vom Gesetzgeber verboten wurden, explodierten gleichzeitig die Instandhaltungs- und Reparaturkosten. Dies brachte oftmals die Situation mit sich, dass Hausbesitzer, die von ihren Mieteinnahmen lebten, gezwungen waren ihre Häuser zu verkaufen. Das entstehende Überangebot, verbunden mit der einbrechenden Nachfrage, führte dazu, dass Objekte kaufkraftbereinigt teilweise bei nur 10 bis 20 % der Vorkriegspreise handelten! Für wenige Unzen Gold konnten in diesen Zeiten stattliche Häuser erworben werden.

 

 

Der Staat war in der Historie stets ein „Spielverderber“…

 

Mögliche Repressalien seitens des Staates sollten ohnehin niemand unterschätzen. Um die diesbezüglich bestehenden Risiken zu illustrieren sollte man sich daran erinnern, dass Immobilien bereits von früheren Generationen im Zuge vergangener Krisen als sichere Anlage angesehen wurden, so z. B. zu Zeiten der Weimarer Hyperinflation. Damals wie heute begannen viele Bürger sich zu verschulden und mit ihrem Kapital Häuser zu bauen oder zu erwerben, um sich vor der abzeichnenden Inflationskrise zu schützen. Der Staat entpuppte sich dabei jedoch stets als Spielverderber und nutzte das Vertrauen der Menschen zu seinem eigenen Vorteil aus. Der Zugriff auf die Vermögen geschah dabei konsequenterweise immer erst nach dem Zerfall des alten Systems, um in der Folge das neue finanzieren zu können.

 

So wurde z. B. 1924 bis 1942 auf Länderebene eine so genannte "Hauszinssteuer" erhoben, welche rückwirkend für alle Immobilienkäufe vor Juli 1918 eingeführt wurde. Durch diese sollten Vermögensgewinne abgeschöpft werden, die Immobilienbesitzer durch die Hyperinflation zuvor angeblich eingestrichen hatten. Tatsächlich handelte es sich bei den Preissteigerungen allerdings meist nur rein nominale Gewinne. Kaufkraftbereinigt verloren die Eigner einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens und mussten dann quasi diesen Verlust auch noch besteuern lassen! Eine weitere Form der Enteignung erfuhren die Bürger bei der westdeutschen Währungsreform 1948 im Rahmen des Lastenausgleichgesetztes. Wikipedia hierzu: „Diese Umverteilung erfolgte dadurch, dass diejenigen, denen erhebliches Vermögen verblieben war (insbesondere betraf das Immobilien), eine Lastenausgleichsabgabe zahlten. Die Höhe dieser Abgabe wurde nach der Höhe des Vermögens mit Stand vom 21. Juni 1948 berechnet. Die Abgabe belief sich auf 50 % des berechneten Vermögenswertes und konnte in bis zu 120 vierteljährlichen Raten, also verteilt auf 30 Jahre, in den Ausgleichsfonds eingezahlt werden. Zu diesem Zweck wurden eine Vermögensabgabe, eine Hypothekengewinnabgabe und eine Kreditgewinnabgabe eingeführt, die an die Finanzämter zu zahlen waren.“

 

 

… und kann dies auch heute jederzeit wieder werden

 

Bürger, die angesichts der eingegangenen deutschen Bürgschaften und Garantien für andere Länder überlegen, ihre Vermögenswerte durch einen Kredit finanzierten Immobilienkauf abzusichern, sollten bedenken, dass speziell der deutsche Staat viel Erfahrung darin hat, Hauseigentümer mit Zwangsabgaben zu beglücken. Ein Vorbote hierzu zeichnet sich aktuell bereits mit der möglichen Wiedereinführung der Vermögenssteuer ab, wobei nur noch Daueroptimisten annehmen, dass der Immobilienbesitz hierbei besonders gut abschneiden dürfte. Wie dies in der Praxis aussehen kann, wurde bereits in Griechenland getestet: Dort wird eine Sondersteuer von 20 Euro pro Quadratmeter und Jahr über die Stromrechnung einkassiert.

 

Aus den angeführten Gründen haben sich sowohl Immobilien historisch betrachtet immer erst nach einer Inflations- und Schuldenkrise als ein lohnendes Investment herausgestellt. Diese entpuppen sich insbesondere in Krisenzeiten oftmals als unflexible Assets, bei welchen das so genannte „Klumpenrisiko“ oftmals das größte Problem darstellt. Da die Immobilie bei vielen Bürgern den einzigen (und i. d. R. noch stark Kredit gehebelten) Vermögenswert darstellt, können die verschiedensten Ereignisse schnell zum finanziellen Ruin führen. Neben den oben erwähnten Risiken kann es sich hierbei auch um Probleme im privaten Bereich handeln.

 

Je größer der Papiergeld-Reichtum der Welt, desto größer die Armut, die ihm folgen wird.“ (Roland Baader)

 

 

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