Die implizite Staatsverschuldung birgt hohe Risiken in sich – Auswirkungen für Vermögensbesitzer absehbar

verfasst von Florian Sollfrank (Stand: 11/17)

Der im Mainstream angesehene Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff prognostizierte vor einigen Monaten in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Capital die Rückkehr der Euro-Krise. Bemerkenswert war, dass er in diesem Zusammenhang erstmals die tatsächliche Schuldenlast Deutschlands zugab: „Die Last der deutschen Schulden ist höher, als die Zahlen es vermuten lassen. Sie sind nicht in der Bilanz, aber eines Tages werden sie fällig – und die Deutschen sollten darauf vorbereitet sein.“ Der den Eliten nahestehende Rogoff brauchte somit nur ca. fünf Jahre länger, um in der Realität anzukommen, als die Ökonomen der Österreichischen Schule, die vor diesen Entwicklungen bereits frühzeitig warnten. Lange Zeit wurden kritische Fachleute, die auf die gigantischen, impliziten Schulden für Deutschland u. a. durch Target2, ESM, OMT und weiteren Mechanismen der Europäischen Union hingewiesen hatten, seitens der verantwortlichen Politiker und in den meisten Medien nicht ernst genommen.

 

 

Großer Unterschied zwischen expliziter und impliziter Staatsschuld

 

Dem Großteil der Bevölkerung in Deutschland dürfte nicht bewusst sein, dass neben der explizit veröffentlichten Staatsverschuldung noch weitere Verbindlichkeiten existieren, die in der offiziellen Berechnung nicht berücksichtigt werden. Während die üblicherweise genannte Zahl in Höhe von ca. 2 Billionen Euro, also rund 65 % des Bruttoinlandprodukts (BIP), noch vertretbar erscheint, ist die tatsächliche, implizite Verschuldung um ein Vielfaches größer. Dabei handelt es sich um ungedeckte Leistungsversprechen für die Zukunft, also z. B. Renten- und Pensionsverpflichtungen für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, welche aber ebenfalls in vollem wirtschaftlichem Umfang vom Staat zu tragen sind. Hinzu kommen die immensen Kosten durch die Flüchtlingskrise sowie die Zahlungen und Bürgschaften für die zahlreichen Euro- und EU-Rettungsprogramme.

 

 

Target2-Salden als Damoklesschwert

 

Ein Beispiel hierfür ist Target2, das gemeinsame Zahlungsverkehrssystem der dem Euro-System angehörigen, nationalen Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank. Mittlerweile stehen allein durch das Target2-System implizite Schulden für Deutschland in Höhe von über 852,5 Mrd. Euro im Raum! Bei dem genannten Betrag handelt es sich – vereinfacht ausgedrückt – um Forderungen der Bundesbank gegenüber den Notenbanken anderer Euro-Staaten. Im Target2-System muss die Deutsche Bundesbank Überziehungswünsche der Notenbanken der EU-Defizitländer in unbegrenzter Höhe und für unbestimmte Zeit akzeptieren. Diese Defizite sind vor allem eine Folge deren negativen Leistungsbilanzen. Aktuell verfügen z. B. neben Deutschland auch Luxemburg und die Niederlande über einen positiven Saldo, während Spanien, Italien und andere bei den Nordländern in der Kreide stehen.

 

Diese Forderungen werden aber leider größtenteils abgeschrieben werden müssen, wenn eines oder mehrere der betreffenden Krisenländer (z. B. Italien) die Euro-Zone oder gar die EU verlassen sollte(n). Entsprechende Befürchtungen sind berechtigt, denn die Widerstände und der Unmut gegen die EU wachsen vielerorts! In Italien ist beispielsweise ein Viertel der Industrie im Vergleich zu der Zeit vor der Krise 2008 verloren gegangen. Darüber hinaus hat das Land mit einem in Schieflage geratenen Bankensektor zu kämpfen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit über 34 % ebenfalls sehr hoch, in Spanien (40 %) und Griechenland (48 %) sind die Zahlen sogar noch bedrückender.

 

Generell konnten sich die sogenannten PIGS-Staaten (Portugal, Italien, Griechenland, Spanien) insbesondere wegen eines für diese Länder zu starken Euro seit dem wirtschaftlichen Einbruch im Jahr 2008 nicht mehr wesentlich erholen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Euro-Zone und EU – angesichts der enormen wirtschaftlichen Ungleichgewichte – in dieser Form auf längere Sicht erhalten werden können, sinkt somit täglich. Der geplante Austritt des Nettozahlers Großbritanniens trägt seinen Teil zur Destabilisierung des fragilen Gebildes bei, welches aus vielen Nehmer-, aber immer weniger Geberländern besteht.

 

Gegenwärtig betragen die Forderungen der Bundesbank gegenüber dem Target2-System bereits fast das Dreifache des gesamten Bundeshaushalts für ein Jahr. Mit einer Rückzahlung der Schulden an die Bundesbank ist bei einem künftigen Austritt eines oder mehrerer der betreffenden Staaten nicht mehr zu rechnen. Die Zeche werden in diesem Fall die deutschen Vermögensbesitzer und Steuerzahler zu begleichen haben.

 

 

Implizite Staatsverschuldung bei ca. 250 % des BIP

 

Die Target2-Salden sind jedoch nur einer der zahlreichen Gründe, warum explizite und implizite Staatsverschuldung so weit auseinander liegen. Berücksichtigt man zusätzlich zu den offiziellen Zahlen von 2 Billionen Euro die darin nicht enthaltenen Pensions- und Rentenanwartschaften sowie die Risiken aus den internationalen Rettungsprogrammen und die entstehenden Kosten in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise, belaufen sich die eigentlichen Verbindlichkeiten der Bundesrepublik – laut unabhängigen Analysten – mittlerweile auf über 7,7 Billionen Euro. Dies entspricht ca. 250 % des BIP!

 

Diese unvorstellbar hohen Lasten werden in den kommenden Jahren nur über höhere Steuern (z. B. Vermögensabgaben) bzw. Inflation (d. h. Verlust an Kaufkraft durch Gelddrucken) reduziert werden können. Oder, um es mit den nüchternen Worten des bereits eingangs zitierten Prof. Rogoff auszudrücken: Deutschland werde als Gläubiger im Euro-Raum „eine Rechnung bezahlen müssen“. Bestraft werden dabei letztlich all jene, die gearbeitet und Vermögen gebildet haben.

 

 

Vermögenswerte sollten sinnvoll diversifiziert werden

 

Anstatt diese Entwicklung zu beklagen, sollten Vermögensbesitzer lieber handeln! Aus den genannten Gründen spricht z. B. einiges dafür, größere Bankguthaben künftig auf verschiedene Banken zu verteilen und einen gewissen Cash-Anteil auch in Form von Bargeld vorzuhalten. Hierdurch bewahrt sich der Investor die Option, flexibel auf unvorhersehbare Entwicklungen reagieren und sich bietende Chancen an den Kapitalmärkten (z. B. nach Kursrückgängen) ergreifen zu können. Darüber hinaus sollten Vermögenswerte verstärkt in ausgewählte Sachwerte und Fonds veranlagt werden. Beispielsweise sind Edelmetalle und Diamanten als klassische Sachwerte per se inflationsgeschützt und bergen darüber hinaus kein Bonitätsrisiko in sich. Zudem können diese noch relativ anonym erworben werden.

 

 

Geografische Vermögensstreuung wird meistens vernachlässigt

 

Wer als Anleger die Sicherheit noch weiter erhöhen möchte, sollte überdies Teile seines Vermögens geografisch streuen, sprich, in rechtssicheren Staaten außerhalb des Euro- und EU-Raumes verbringen. Dies könnte z. B. mittels Verwahrung von Edelmetallen über namhafte Anbieter in einem Zollfreilager oder der Führung eines Fondsdepots bei einer ausgewählten, ausländischen Bank geschehen. Zu beachten ist, dass an dieser Stelle nur von legalen Konten und Depots die Rede ist. Allen voran sind hierfür primär Nationen geeignet, welche sich über Jahrzehnte (besser über Jahrhunderte) als politisch und wirtschaftlich stabil erwiesen haben und somit eine sehr lange Tradition in der Achtung des Privateigentums ihrer Bürger vorweisen können. Zudem sollten in diesen Ländern Staatsschulden keine bzw. nur eine untergeordnete Bedeutung spielen.

 

Die geografische Vermögensstreuung wird leider von den meisten Investoren vernachlässigt. Der bekannte Investor und Bestsellerautor Doug Casey gab jedoch diesbezüglich in einem Interview folgendes zu bedenken: „Es ist unabdingbar, seine Anlagen politisch zu diversifizieren. Wohlhabende Leute verstehen normalerweise, wie wichtig es ist, ihre Investitionen auf verschiedene Anlageklassen zu verteilen. Sie besitzen Immobilien, ein bisschen Gold, Aktien, Anteile an Privatunternehmen etc. Aber nur sehr wenige sind auch geografisch und politisch diversifiziert und stellen sicher, dass sich nicht all ihre Vermögenswerte unter der Kontrolle einer einzigen Regierung befinden. Das ist ein großer Fehler, den sehr viele Investoren begehen, denn die Regierungen sehen Sie als Milchkuh an, und wenn schwere Zeiten aufziehen, sehen Sie in Ihnen womöglich auch ein Schlachtrind. Die finanziellen Risiken sind heutzutage gewaltig, aber die politischen Risiken sind noch größer. Um das zu vermeiden, müssen Sie Ihre Assets international diversifizieren. Setzen Sie nicht alles auf eine Karte.“

 

 

Schlussfolgerungen

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die finanziellen Risiken für Vermögensbesitzer in Deutschland immer weiter zunehmen. Anleger sollten daher Vorkehrungsmaßnahmen treffen und ihr Kapital nicht nur auf verschiedene Banken verteilen, sondern auch in ausgewählte Sachwerte und Investmentfonds diversifizieren und darüber hinaus die geografische Vermögensstreuung nicht außer Acht lassen. Auf diese Weise dürfte bei sinnvollem Vorgehen die Gefahr, größere Vermögensverluste zu erleiden, zumindest deutlich reduziert werden können. Hierbei ist es ratsam, bei mangelnden eigenen Kenntnissen auf den Rat von Experten zurückzugreifen, die sich seit Jahren auf inflations- und krisengeschützte Investmentformen spezialisiert haben und somit über die notwendige Erfahrung verfügen.

 

„Einmal wird der Tag kommen, da der Bürger erfahren muss, dass er die Schulden zu bezahlen habe, die der Staat macht und uns zum ‚Wohle des Volkes‘ deklariert.“ (Ludwig Erhard)

 

 

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